Was es noch nie gegeben hatte, konnte man am Samstag, dem 19. März 2016 erleben: Ein hochkarätiges Konzert an der großen Orgel in der Neuapostolischen Kirche in Ravensburg.
Die mächtige Orgel stammt aus der Werkstatt des Orgelbauers Rainer Hehl und tut seit etwa 16 Jahren ihren Dienst. Bisher in der Regel als Instrument für die Begleitung des Gemeindegesangs eingesetzt, entfaltete sie nun ihre vollen Klangmöglichkeiten unter den Händen (und Füßen) von Jens Wiech, einem ausgezeichneten Organisten, der sonst in der Schweiz tätig ist. Dort wirkt er an mehreren reformierten Kirchengemeinden, daneben aber auch als Mitglied der Orgelkommission der Neuapostolischen Kirche Schweiz sowie als gefragter Kursleiter und Dozent bei verschiedenen Fortbildungsveranstaltungen für Organisten.
Hirte Kopp als „Hausherr“ hatte den Abend mit der Begrüßung der Anwesenden und einem Gebet eröffnet und die Zuhörer auf große Erwartungen eingestimmt, die auch nicht enttäuscht wurden. Rainer Kraupner, Musikfachberater des Kirchenbezirks, moderierte – unterstützt durch den Künstler selbst – durch den Abend.
Das Programm begann mit einem Stück mit dem Titel „Melodia“ von Luigi Botazzo. Es ist ein liedartiges Stück, das mit weichen und warmen Klangfarben fließende Linien zeichnet. Botazzo war einer der wenigen Vertreter der italienischen Romantik, die für die Orgel komponiert haben. Insofern kamen die Zuhörer in den Genuss einer Rarität.
Im Anschluss war das „Concerto Nr. 4“ für Orgel von Johann Sebastian Bach (BWV 595) zu hören. Lebhafte Spielfiguren und virtuose Echoeffekte erinnern an ein Orchesterkonzert, wovon diese Art Orgelmusik auch inspiriert ist.
An dieser Stelle nun der Wechsel zu einem Zwischenteil, der von Ruth Ochsner als souveräne Oboistin und Ingo Tetzlaff als einfühlsamer Begleiter an der Orgel gestaltet wurde. Von Alessandro Marcello, einem Zeitgenossen Johann Sebastian Bachs, waren drei Sätze aus dem Oboenkonzert in d-moll mit den Bezeichnungen „Andante e spiccato“, „Adagio“ und „Presto“ zu hören. Von der großen Spannung und der starken Emotion dieser überzeugenden Vorträge wurden die Zuhörer sichtlich gefesselt. Es folgte der dritte und umfangreichste Teil, vorgetragen wieder von Jens Wiech. Zunächst erklang die zweite Orgelsonate in c-moll von Felix Mendelssohn-Bartholdy, ein monumentales Werk für Orgel, das die Klangmöglichkeiten des Instruments majestätisch ausreizt. Die verschiedenen Sätze, die gegenseitig kontrastierend sich steigern, enden in der großen Fuge, deren Hauptthema die Melodie des bekannten Lieds „Der Mond ist aufgegangen“ aufgreift.
Das nächste Stück war ein Werk der französischen Spätromantik,„Berceuse“ von Louis Vierne. Ungewohnte Harmonien erzeugten eine meditative Stimmung und ließen die Bedeutung von „Berceuse“, nämlich „Wiegenlied“, greifbar werden.
Den Abschluss bildete ein wieder temperamentvolles, fast übermütiges Stück des jungen Johann Sebastian Bach: Präludium und Fuge G-dur (BWV 541). Es stellt sowohl im Manual als auch im Pedal eine Herausforderung für jeden Organisten dar.
Mit anhaltendem Applaus dankten die mehr als 80 Zuhörer den drei Musikern für das gelungene Konzert. Im Anschluss bot ein kleiner Stehempfang der Gemeinde Gelegenheit zu Begegnung und Gesprächen.